Warum die Deutschen den Juden Auschwitz nie verzeihen werden

Schuldabwehr-Antisemitismus in aktuellen Debatten

»Es scheint, dass die Deutschen uns Auschwitz nie verzeihen werden. Das ist ihre Krankheit, und sie verlangen verzweifelt nach Heilung. Aber sie wollen sie leicht und schmerzlos. Sie lehnen es ab, sich unters Messer zu legen, das heißt: sich der Vergangenheit und ihrem Anteil daran zu stellen.«
(Shoah-Überlebende Hilde Walter)

Dieses Zitat bringt den sogenannten sekundären Antisemitismus, das heißt den Antisemitismus “nach Auschwitz” auf den Punkt.

In einer Abwehr von Schuld werden sogleich die Opfer der eigenen Taten für ebendiese verantwortlich gemacht. Kurz gesagt: Es findet eine Täter-Opfer-Umkehr statt.

Eines der ersten Werke, das sich mit Schuldabwehr in Nachkriegsdeutschland beschäftigte, war die psychoanalytische Untersuchung der Mitscherlichs Die Unfähigkeit zu trauern. Grundlagen kollektiven Verhaltens. In dieser analysierten die Mitscherlichs den Umgang der deutschen Gesellschaft, die zu diesem Zeitpunkt größtenteils aus ehemals glühenden NationalsozialistInnen und einer Vielzahl an TäterInnen bestand, mit ihren eigenen Verbrechen.

Hilde Walter spricht hier etwas an, das bis heute nur unzureichend geschieht: die Konfrontation, die Aufarbeitung der deutschen Geschichte, die eben für viele Familien auch die eigene Vergangenheit betrifft. Einfacher ist es, sich dieser zu entledigen. Oder wie Samuel Salzborn schreibt: in “Geschichtsvergessenheit” zu verfallen.

Der Vortrag problematisiert den Schuldabwehr-Antisemitismus in gegenwärtigen Diskursen und nimmt dabei Bezug zu Protesten und Verschwörungsnarrativen während der Corona-Pandemie und infolge der Reaktion auf die Massaker der Hamas im Süden Israels.